Wer bestimmt, der zahlt?

Die katholische Kirche bestimmt die Marschroute bei den Kindergärten, die Gemeinde trägt die fünffachen Kosten

Seit Jahren zieht sich die katholische Kirche immer mehr aus der Finanzierung der Kindergärten in Niederbrechen und Oberbrechen zurück, überlässt es der Gemeinde, inzwischen das Fünffache des ursprünglich vertraglich festgelegten Anteils zu bezahlen, gewährt aber der Gemeinde keinerlei Mitspracherechte. Jetzt werden die Verträge neu verhandelt.

Von Bernhard Trost

Brechen. In der Vergangenheit hatte die Gemeinde Brechen gute Miene zum bösen Spiel gemacht, in Ermangelung einer einfachen Lösung in den sauren Apfel gebissen und mehr gezahlt. Nun aber war der längerfristige Vertrag mit dem Bischöflichen Ordinariat (BO) bzw. dem katholischen Rentamt Hadamar in Sachen Kindergärten ausgelaufen. In einer neuen Vertragsgestaltung wollte die Gemeindevertretung die Vertragsgestaltung geänderten Gegebenheiten angepasst wissen. «Wenn wir schon den Löwenanteil zahlen, muss uns auch ein Mitspracherecht eingeräumt werden», so die Ansicht der Gemeindevertretung. Dieses Mitspracherecht müsse sich auf die Führung der Einrichtungen (Veto-Recht bei Personalentscheidungen), auf die Finanzierungsverteilung der Betriebs- und Verwaltungskosten und dergleichen beziehen, erläuterte Bürgermeister Werner Schlenz (parteilos).

Weitere Regelungen, die nicht mehr der aktuellen Rechtslage entsprächen, wie Personalausstattung und Veränderungen im Kinder- und Jugendhilferecht, gelte es anzupassen. Doch schon bei den ersten Besprechungen zeigte sich, dass in einigen Bereichen gravierende Abweichungen zwischen den Forderungen des Gemeindevorstands und den Möglichkeiten der örtlichen Pfarrgemeinden vorhanden sind, berichtete der Bürgermeister. Auf die Diskrepanzen wies auch der Vertreter des katholischen Rentamtes Nord (Hadamar) hin.

Der Gemeindevorstand hatte im Dezember vergangenen Jahres nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass aus seiner Sicht die Einflussrechte der Kommune zumindest in einem Umfang zunehmen müssten, in dem sich die Finanzierung verändert hat. Die Verträge wurden zu einer Zeit entwickelt und geschlossen, als die Kosten für die Finanzierung der Tageseinrichtungen zu gleichen Teilen von der Kirche, der Gemeinde und den Eltern (also je ein Drittel) getragen wurden.

Für das Haushaltsjahr 2011 ist nach den vorgelegten Planungen damit zu rechnen, dass der kirchliche Anteil an der Finanzierung bei etwa 82 700 Euro liegt, der gemeindliche Anteil hingegen auf rund 427 000 Euro zu veranschlagen ist. Die Kommune wendet demnach inzwischen den fünffachen Betrag der Kirche auf. Dieses Verhältnis müsse auch bei einer neuen Vertragsgestaltung angewendet werden.

 

Personalentscheidungen

«Wir brauchen weitreichende Entscheidungsbefugnisse, denn es geht um die Erziehung unserer Kinder. Eine Partnerschaft ist nicht denkbar unter der Kurzfassung: Zuhören ja, mitentscheiden nein», so die SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Silke Kohlschitter. Ihr Fraktions-Kollege Bernd Schmidt legte nach: «Die Gemeindevertretung muss auch bei Einstellungen von Erzieherinnen den Kindergartenleiterinnen mitentscheiden dürfen.»

«Eine ehrliche und partnerschaftliche Vertragsgestaltung besteht nicht darin, dass der eine Vertragspartner ausschließlich die Konditionen diktiert und der andere Partner diese lediglich ohne jedes Mitspracherecht umsetzen soll, was aber schon seit Jahren hier in Brechen praktiziert wird», fasste Vorsitzender Gerd Roos die Meinung der FWG-Fraktion zusammen. Er bezeichnete solche Modalitäten als unerträglich. Im Wandel der Zeit mit immer geringerer Beteiligung des BO an den Kosten und zunehmender Irritationen und Verletzung bei der Umsetzung der bisherigen vertraglichen Regelungen durch den kirchlichen Träger sei der Gemeindevertretung gar nichts anderes übrig geblieben, als diese Verträge mit der Kirche zu kündigen.

Wohlgemerkt soll es aber nicht primäres Ziel sein, die Partnerschaft mit dem BO zu beenden. Vielmehr sollten neue, faire, zeitgemäße Verträge mit den zuständigen Stellen ausgehandelt werden. «Wir hoffen auf ein Entgegenkommen des Vertragspartners, auch wenn die bisherigen Verhandlungen dies noch nicht erkennen ließen. Doch sollte auch das BO erkennen, dass man in einer demokratischen Gesellschaft nicht alles diktieren kann», so Roos.

 

Erziehungsauftrag

CDU-Fraktions-Chef Wolfgang Höhler meinte indes, dass der Weg zu einer Einigung mit dem BO gar nicht so weit sei: «Wir liegen schon dicht beieinander.» Sollte diese Einschätzung Höhlers nicht zutreffen und die weiteren Verhandlungen, die «konsequent zu führen seien», wie Dr. Kohlschitter anmerkte, am Widerstand des Vertragspartners scheitern, von dem ja einige Dinge schon im Vorfeld als «nicht verhandelbar» eingestuft wurden, würde die Partnerschaft mit der Kirche aufgelöst bzw. nicht mehr fortgesetzt. Das heißt, auch der derzeit auf weniger als 15 Prozent zusammengeschmolzene Beitrag des BO (rund 80 000 Euro im Jahr) würde der Gemeinde zur Zahlung zufallen. Von den rund 240 Einrichtungen im Bistum Limburg hätte sich das BO dann zweier entledigt, sich aber auch insoweit von seinem religiösen Erziehungsauftrag distanziert.

 

Weitere Gespräche

Zunächst aber sollen weitere Verhandlungen gesucht werden. Noch im Februar soll ein Termin anberaumt werden. Sollten die kirchlichen Träger den Abschluss einer Folgevereinbarung mit den berechtigten Forderungen der Gemeindevertretung auf Mitsprache ablehnen, soll der Vertrag noch bis 31. Dezember 2011 fortgeführt, dann aber beendet werden. Dieser Beschluss wurde einstimmig gefasst.

 

 

Aus der Presse – NNP 05.02.2011

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